Vor 40 Jahren startete Easy Rider - Was ist aus New Hollywood geworden?

17.07.2009 - 14:15 Uhr
Easy Rider
Columbia Pictures Corporation
Easy Rider
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Das Roadmovie Easy Rider läutete eine neue Filmepoche ein: Mit New Hollywood trat eine frische Generation auf den Plan, die unbequemere Fragen stellte statt Happy End-Antworten zu liefern.

Am 14. Juli 1969 war es soweit; in den US-Kinos startete Easy Rider. Wyatt (Peter Fonda) und Billy (Dennis Hopper) setzten sich auf ihre Captain Americas und machten sich auf zu einem Trip durch Amerika. Unterwegs sammelten sie den Anwalt George Hanson (Jack Nicholson) auf. Sie reisen durch ein Land, in dem Freiheit für das Individuum zwar in der Verfassung steht, aber praktisch durch Intoleranz, Rassismus und Generationskonflikt nicht zu haben war: Der Tod schon. Easy Rider, der Amerika einen Spiegel vors Gesicht hielt, setzte ein Signal und wird heute immer noch als einer der wichtigsten Filme des New Hollywood begriffen. Die Blütezeit junger Filmemacher begann und mit ihm kam ein Kino auf die Leinwand, welches das alte Hollywood-Studio-System gehörig aufmischte.

Was wäre das moderne Kino ohne die Mafia-Dramen des Francis Ford Coppola? Ist Travis Bickle (Robert De Niro) in Taxi Driver von Martin Scorsese nicht vielleicht eine der Schlüsselfiguren der modernen Zeit? Kann jemand, der Die durch die Hölle gehen gesehen hat, Russisch-Roulette jemals wieder vergessen? Outlaws, Abwegiges, Individuelles bekam im New Hollywood einen Namen, neue Lebensentwürfe standen auf dem Prüfstand, die gesellschaftliche Realität interessierte wieder und die Jugend begehrte auf. Junge, ungestüme Filmemacher drängen nach vorn: Zu den schon genannten Martin Scorsese und Francis Ford Coppola kamen dazu Hal Ashby, Brian De Palma, William Friedkin, Terrence Malick, George Lucas, Steven Spielberg und, und, und… Die Kernzeit von New Hollywood (mit Vor- und Nachwerken) lag zwischen 1967 und 1976, Bonnie und Clyde von Arthur Penn sowie Die Reifeprüfung von Mike Nichols läuteten die neue Phase ein; ihr Ende fand sie mit den großen Blockbuster von Steven Spielberg (Der weiße Hai) und George Lucas (Krieg der Sterne). New Hollywood wirkt immer noch nach und zum Jubiläum stellt sich die Frage: Was machen die großen Regie-Stars des New Hollywoods heute?

Zu allererst steht natürlich Martin Scorsese (geb. 1942), der mit Taxi Driver (1979) das Meisterwerk des New Hollywood ablieferte und schon mit seinem Erstling Hexenkessel (1972) einen Vorgeschmack auf seine Auseinandersetzung mit der katholischen Moral, mit Männerbünden sowie Alb- und Wunschträumen abgab. Ohne Frage ist er einer der wichtigsten und einflussreichsten Filmemacher der Zeit, der mit seinen Mafia-Filmen und seinen Straßen-Geschichten für Furore sorgte. Seine Karriere ist noch lange nicht vorbei. Mit Spannung erwarten wir seinen neuen Film Shutter Island, in dem einmal mehr Leonardo DiCaprio von ihm in Szene gesetzt wird.

Francis Ford Coppola (geb. 1939) hat schon immer Einzelgänger in Szene gesetzt: etwa den Techniker Harry Caul (Gene Hackman) in Der Dialog (1973) oder Captain Willard (Martin Sheen) in Apocalypse Now (1979). Nun ist er selbst einer geworden. Seine letzten Filme (Jugend ohne Jugend, Tetro) finanzierte er selbst, das Geld kam von seinem Weingut. Zwar tritt er immer noch als Produzent in Erscheinung, aber eigentlich hat er der großen Filmwelt nach seinen Flops (Cotton Club, Bram Stoker’s Dracula) den Rücken gekehrt, ist ein Eigenbrötler, der sich in seinem eigenen Film-Universum bewegt und sich einen Teufel darum schert, was andere darüber denken.

Brian De Palma (geb. 1940) wollte schon immer mit seinen Filmen erforschen, wie Bilder gemacht werden. Deshalb schaute er immer wieder auf den Meister Alfred Hitchcock, thematisierte Mord und Besessenheit, Neurosen und Psychosen. Große Erfolge feiert er im Horror-Genre mit Schwestern des Bösen (1973) oder Carrie – Des Satans jüngste Tochter (1976). Sein letzter Film Redacted (2007) schließt direkt an das New Hollywood an, geändert hat sich eigentlich “nur” der Ort der Handlung: Nicht die Soldaten in Vietnam stehen auf dem Prüfstand sondern jene im Irak.

Peter Bogdanovich (geb. 1939) ist mehr mit seinen Büchern und Interviews über Filmemacher wie Orson Welles oder Don Siegel im Gespräch als mit seinen Filmen. Er konnte an seinen großen Erfolg aus den 1970er Jahren nicht anschließen und wird immer das Wunderkind sein, welchem der ganz große Film versagt blieb. Dabei hat er mit Die letzte Vorstellung (1971) schon einen vorgelegt, ein Paradebeispiel für die Hilfs- und Hoffnungslosigkeit einer ganzen Generation, die aus dem alten Leben ausbrechen will.

Michael Cimino (geb. 1943) hat sich mit Die durch die Hölle gehen (1978) einen Platz in der Filmgeschichte gesichert, dem Film über die physischen und psychischen Folgen des Vietnam-Krieges. Der Regisseur galt ebenfalls als Wunderkind, der sich dann aber mit Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel (1980) völlig übernommen hat und United Artists in den Ruin trieb. Danach war für seine eigene Karriere auch nicht mehr viel möglich.

Der Exorzist (1974) ist heute noch einer der erfolgreichsten Horrorstreifen aller Zeiten, unter anderem wegen seiner furchterregenden Tonspur. Schon zwei Jahre vorher hatte William Friedkin (geb. 1939) mit French Connection – Brennpunkt Brooklyn auf sich aufmerksam gemacht und war auch eines dieser herbeigeschriebenen Wunderkinder, aber nach dem Film mit der Teufelsstimme aus dem Mund eines Mädchens bewegte sich seine Karriere im freien Fall nach unten. Erst nach mehreren Jahren drehte er wieder erfolgreich Filme, die aber nicht an seine zwei großen Erfolge heranreichen.

Terrence Malick lebt abgeschirmt von der Öffentlichkeit und dreht alle paar Jahre einen Film, der dann von den Kritikern als Meisterwerk gefeiert wird. Badlands – Zerschossene Träume (1973) ist aber wohl mit Abstand sein bester.

Einige der New Hollywoodianer sind bereits gestorben. Erinnert sei an Robert Altman (1925 – 2006) und seinen wunderbaren Film McCabe & Mrs. Miller (1970), der dem Western eine realistische Seite abtrotzt und zeigt, dass der Goldene Westen eine Legende war, gestrickt aus vielen Niederlagen. Hal Ashby (1929 – 1988) galt als der Aussteiger unter den Regisseuren der Ära und hat mit Harold and Maude (1971) genau über solche Abwegigen auch eine der schönsten Liebesgeschichten gedreht. John Cassavetes (1929 – 1989) prägte den amerikanischen Independentfilm und zeigte in Eine Frau unter Einfluß (1974) die Schwierigkeiten von modernen Menschen auf, über ihre Gefühle zu kommunizieren. Alan J. Pakula (1928 – 1998) hat mit Klute (1971), Zeuge einer Verschwörung (1974) und Die Unbestechlichen (1974) die Paranoia des Einzelnen und einer ganzen Gesellschaft gekonnt auf die Leinwand gebracht. Sam Peckinpah (1925 – 1984) ist nach wie vor der ungekrönte König des Spätwestern, der mit The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz (1969) ungeschönt aufzeigte, dass Gewalt ein Entstehungsmoment des Goldenen Westens, ja der amerikanischen Gesellschaft ist. Sein Filmtitel Wer Gewalt sät (1971) spricht Bände. Sydney Pollack (1934 – 2008) bewies mit seiner Themenauswahl Zivilcourage, zeigte ausgeprägten Individualismus, kritisierte das eigene Land, ohne offen gegen das System zu rebellieren. Nur Pferden gibt man den Gnadenschuß (1969), Jeremiah Johnson (1971) oder die Liebesgeschichte Cherie Bitter – So wie wir waren (1973) zeugen davon.

Dann gibt es natürlich noch die Schauspieler, die dem New Hollywood ihr Gesicht gegeben haben: Jack Nicholson, Robert De Niro, Robert Redford, Gene Hackman, Warren Beatty, Peter Fonda, Dennis Hopper und, und … Das ist einen weiteren Text wert … Und es gibt George Lucas und Steven Spielberg, die beim New Hollywood anfingen mit THX 1138 und Sugarland Express. Was aus ihnen geworden ist, ist wieder eine ganz, ganz andere Geschichte …

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